Verschneite Birke

All der Birke zarte Zweige
 tragen eine schwere Last
 weiß umhüllt in edler Neige
 auch der allerkleinste Ast.

Hat die Sonn‘ ihr Haupt erhoben,
 funkelt‘s hell wie Morgentau
 Wolken aus Kristall gewoben
 in des neuen Morgens Blau.

(Angelika Diem, 1968, Autorin)

 

Die Blumen des Frühlings
 sind die Träume des Winters.

(Khalil Gibran)

 

Alles still! (Theodor Fontane)

 Alles still! Es tanzt den Reigen
  Mondenstrahl in Wald und Flur,
  Und darüber thront das Schweigen
  Und der Winterhimmel nur.

 Alles still! Vergeblich lauschet
  Man der Krähe heisrem Schrei.
  Keiner Fichte Wipfel rauschet,
  Und kein Bächlein summt vorbei.
 Alles still! Die Dorfeshütten
  Sind wie Gräber anzusehn,
  Die, von Schnee bedeckt, inmitten
  Eines weiten Friedhofs stehn.

 Alles still! Nichts hör ich klopfen
  Als mein Herze durch die Nacht -
 Heiße Tränen niedertropfen
  Auf die kalte Winterpracht.

 

  Weihnachten


 Lieber, guter Weihnachtsmann,
  zieh die langen Stiefel an,
  kämme deinen weißen Bart,
  mach‘ dich auf die Weihnachtsfahrt.

Komm‘ doch auch in unser Haus,
  packe die Geschenke aus.
  Ach, erst das Sprüchlein wolltest du?
  Ja, ich kann es, hör mal zu:

Lieber, guter Weihnachtsmann,
  guck mich nicht so böse an.
  Stecke deine Rute ein,
  will auch immer artig sein!

(Verfasser unbekannt)
 Advent, Advent,

ein Lichtlein brennt.

Erst ein, dann zwei,

dann drei, dann vier,

dann steht das Christkind vor der Tür.
 (Verfasser unbekannt)

Knecht Ruprecht

Ruprecht: Habt guten Abend, alt und jung
  bin allen wohl bekannt genung.
  Von drauß vom Walde komm ich her;
  ich muß Euch sagen es weihnachtet sehr!
  Allüberall auf den Tannenspitzen
  sah ich goldene Lichtlein sitzen;
  und droben aus dem Himmelstor
  sah mit großen Augen das Christkind hervor.
  Und wie ich so strolcht durch den finsteren Tann,
  da rief’s mich mit heller Stimme an:
  Knecht Ruprecht, rief es alter Gesell,
  hebe die Beine und spute dich schnell!
  Die Kerzen fangen zu brennen an,
  das Himmelstor ist aufgetan,
  Alt und Junge sollen nun
  von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
  und morgen flieg ich hinab zur Erden,
  denn es soll wieder weihnachten werden!
  So geh denn rasch von Haus zu Haus.
  such mir die guten Kinder aus,
  damit ich ihrer mag gedenken
  mit schönen Sachen sie mag beschenken.

Ich sprach: O lieber Herre Christ,
  Meine Reise fast zu Ende ist.
  Ich soll nur noch in diese Stadt,
  Wo’s eitel gute Kinder hat.
  Hast denn das Säcklein auch bei dir?

Ich sprach: Das Säcklein, das ist hier,
  Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern
  freßen fromme Kinder gern.
  Hast denn die Rute auch bei dir?

Ich sprach: die Rute die ist hier.
  Doch für die Kinder, nur die schlechten,
  die trifft sie auf den Teil, den rechten.
  Christkindlein sprach: So ist es recht.
  So geh mit Gott, mein treuer Knecht!
  Von drauß, vom Walde komm ich her,
  Ich muß euch sagen es weihnachtet sehr!
  Nun sprecht wie ich’s hierinnen find:
  sind’s gute Kind., sind’s böse Kind?

Vater: Die Kindlein sind wohl alle gut,
  haben nur mitunter was trotzigen Mut.

Ruprecht: Ei, ei, für trotzgen Kindermut
  ist meine lang Rute gut!
  Heißt es bei Euch denn nicht mitunter:
  Nieder den Kopf und die Hosen herunter?

Vater: Wie einer sündigt so wird er gestraft;
  die Kindlein sind schon alle brav.

Ruprecht: Stecken sie die Nas auch tüchtig ins Buch,
  lesen und scheiben und rechnen genug?

Vater: Sie lernen mit ihrer kleinen Kraft,
  wir hoffen zu Gott, daß es endlich schafft.

Ruprecht: Beten sie denn nach altem Brauch
  im Bett Ihr Abendsprüchlein auch?

Vater: Neulich hört ich im Kämmerlein
  eine kleine Stimme sprechen allein;
  und als ich an die Tür getreten,
  für alle Lieben hört ich sie beten.

Ruprecht: So nehmet denn Christkindleins Gruß,
  Kuchen und Äpfel, Äpfel und Nuß;
  probiert einmal von seinen Gaben
  morgen sollt ihr was beßeres haben.
  Dann kommt mit seinem Kerzenschein
  Christkindlein selber zu euch herein.
  Heut hält es noch am Himmel Wacht;
  nun schlafet sanft, habt gute Nacht.

(Theodor Storm)

 


 Fastnacht

 

Wer geht mit zur Maskerade?
  Es soll recht schön dort sein!
  Schöne Zimmer, prächtige Säle,
  Und die prächtigsten Narren drein!

 Ich will zu Hause bleiben
  Ich wünsch' euch viel Plaisir.
  Ich tauge nicht zur Freude
  Es ist fast Nacht in mir.

 Und ich kann die Nacht nicht fassen,
  Die all' mein Denken faßt.
  Sagt mir, ob solche Stimmung
  Zur frohen Fastnacht paßt?

Ludwig Bechstein

Die ernsthafte Fastnacht

Wohl vor Wittenberg auf den Schanzen
  Sind der edlen Werber viel,
  Wollen da zur Fastnacht tanzen
  Ein gar seltsam‘ Ritterspiel.

 Und die Stadt vom Felsen droben
  Spiegelt sich im Sonnenschein,
  Wie ein Jungfräulein erhoben –
Jeder will ihr Bräut'gam sein.

 Jäger! laßt die Hörner klingen
  Durch den Morgen kalt und blank!
  Wohl, sie läßt sich noch bezwingen,
  Hört sie alten deutschen Klang.

 Drauf sie einen Reiter schnelle
  Senden, der so fröhlich schaut,
  Der bläst seinen Gruß so helle,
  Wirbt da um die stolze Braut.

»Sieh, wir werben lang verstohlen
  Schon um dich in Not und Tod,
  Komm! sonst wollen wir dich holen,
  Wann der Mond scheint blutig rot!«

Bleich schon fallen Abendlichter –
Und der Reiter bläst nur zu,
  Nacht schon webt sich dicht und dichter –
Doch das Tor bleibt immer zu.

 Nun so spielt denn, Musikanten,
  Blast zum Tanz aus frischer Brust!
  Herz und Sinne mir entbrannten,
  O du schöne, wilde Lust!

 Wer hat je so 'n Saal gesehen?
  Strom und Wälder spielen auf,
  Sterne auf und nieder gehen,
  Stecken hoch die Lampen auf.

 Ja der Herr leucht't selbst zum Tanze,
  Frisch denn, Kameraden mein!
  Funkelnd schön im Mondesglanze
  Strenges Lieb, mußt unser sein! –

Und es kam der Morgen heiter,
  Mancher Tänzer lag da tot,
  Und Victoria blies der Reiter
 Von dem Wall ins Morgenrot.

 Schlesier wohl zu Ruhm und Preise
  Haben sich dies Lieb gewonnen,
  Und ein Schlesier diese Weise
  Recht aus Herzenslust ersonnen.

Joseph Freiherr von Eichendorff, 1814